Willkommen auf meinem Weblog

Fotografie, Literatur, die deutsche Sprache, die Verbesserung meiner englischen Sprachkenntnisse, Museen und Ausstellungen, Theater, Kochen und Backen sind meine Interessen. Und dazu noch dieses und jenes, je nach Tagesaktualitäten und persönlichen Erlebnissen. Hinzu kommen der Spaß am Verfassen von Texten und die alltäglich gewordene Nutzung der Informationswelt des Internet.

Montag, 23. April 2007

Rauchzeichen

Immer, wenn aus meinem Computer dieser Gong ertönt, den ein amerikanischer Software-Riese für den Posteingang komponiert hat, reagiere ich zwanghaft.

Das war schon so, als ich noch rauchte. Dann zündete ich mir bei dem Signal erstmal eine Zigarette an und qualmte genüsslich, während ich rätselte, wer mir wohl geschrieben haben mag. Das hätte ich natürlich ganz schnell herausfinden können, einfach nur nachzusehen brauchen, aber für einen zutiefst abhängigen Raucher ist schließlich alles Grund genug, sich eine ins Gesicht zu stecken. Außerdem fiel es mir dadurch leichter, die E-Mails nicht sofort zu beantworten. Niemand sollte denken, ich hätte sonst nichts zu tun.

Seit ich das Rauchen aufgegeben habe, läuft das anders ab. Jetzt wird nicht mehr am Glimmstängel gezogen, und daher zieht auch die Masche mit der Verzögerungstaktik nicht mehr. Im Gegenteil. So spontan, wie ich damals in der Zigarettenschachtel fingerte, greift meine Hand heute zur Maus. Ganz schnell klicken und lesen. Als ob ich nur das eine Laster gegen ein anderes ausgetauscht hätte. Das soll mir recht sein, denn gesünder ist es dadurch auf alle Fälle geworden, und billiger sowieso.

Ein gehöriger Anteil der Depeschen, die auf meiner Festplatte eintrudeln, sind Newsletter. Eine wundervolle Einrichtung. Ich brauche nur einmal auf irgend einer Webseite meine E-Mail-Adresse einzugeben, und schon klingelt es regelmäßig in meinem elektronischen Briefkasten. Zigaretten konnte ich mir noch selber kaufen, aber um meine E-Mail-Sucht zu befriedigen, müssen mir schon andere helfen.

Die meisten Newsletter sind nicht sonderlich spannend, sondern im Grunde nur Reklame. Da verschaffe ich mir Abwechslung, indem ich immer mal wieder welche abbestelle und dafür neue abonniere. Manche, allerdings nicht viele, sind aber tatsächlich informativ oder unterhaltsam. Einer davon kommt von kolumnen.de, wo ein buntes Sammelsurium von Autoren Texte veröffentlicht. Alle paar Tage gibt es da was Neues zu lesen, ab und an auch zu hören. Vieles davon gefällt mir. Da stöbere ich gern.

Neulich wurde ich in dem Newsletter gefragt, ob ich mir das etwa so vorstelle, dass man das dort alles nur zum Spaß veranstalte. Warum denn bloß niemand die neueste Kolumne von Elke Schröder lese, Nikotinabusus, das verstehe er nicht, der Herausgeber. Die Anfrage kam am 13., und das war ein Freitag. An so einem Tag läuft ja gelegentlich einiges anders als sonst. Ob das der Grund für die ziemlich barsche Fragestellung war? Oder ob sich der Verfasser des Newsletters gerade selbst das Rauchen abgewöhnt? Dann wäre das verständlich, denn bei Entzug reagiert man gelegentlich etwas eigenartig. Bei mir war das zwar nicht so, aber sowas ist selten. Außer mir selbst war das auch niemandem aufgefallen. Oft musste ich mir anhören, ich solle nur möglichst schnell wieder rauchen, sonst sei ich ungenießbar. Und dabei war ich vollkommen ausgeglichen. Das weiß ich genau.

Selbstverständlich hatte ich die Kolumne gelesen. Und das, bitteschön, ganz freiwillig, nicht erst auf Drängen. Der Zorn gegen mich war unbegründet. Als von der Sucht befreiter Ex-Raucher konnte ich gar nicht anders. Bei dem Titel: Nikotinabusus. Obwohl ich zuerst noch nicht wusste, dass die Autorin beschreibt, welche Absonderlichkeiten sie bei sich feststellte, als sie sich vom blauen Dunst verabschiedete. Sie war als Raucherin aber auch zu verächtlich behandelt worden. Da blieb ihr wirklich keine andere Wahl. Da musste sie durch.

Ich habe gelesen, was die Verfasserin erlebte, als sich die Rauchschwaden um ihren Kopf zu lichten begannen. Plötzlich habe sie Dinge bemerkt, die ihr bislang entgangen waren. Zum Beispiel den Kölner Dom. Der müsse wohl über Nacht aus dem Boden gestampft worden sein. Nun gut, mehr kann man am Anfang nicht erwarten. Immerhin wird die Kathedrale jetzt überhaupt wahrgenommen. Aber ein wenig vernebelt scheint der Blick dabei noch zu sein. Aus dem Boden gestampft, das klingt ja so, als ob der Kölner Dom fertiggestellt worden sei. Niemals. Er ist eine ewige Baustelle. Das war er bisher und das wird er immer bleiben. Der Kölner Volksmund unkt mit Recht, dass die Welt untergehe, falls der Dom einmal fertig werde. Eher wäre ja sogar noch damit zu rechnen, dass Rauchen wieder salonfähig wird. Dem lieben Gott geht es mit seinem Dom zu Köln nicht besser als jedem anderen Bauherrn. Die Handwerker machen da keinen Unterschied. Ihre Zeitrechnung wird in Ewigkeiten gemessen. Das hat sicher auch mit den vielen Zigarettenpausen zu tun.

Und dann all die Fragen, die auftauchen, wenn der im Blut reichhaltig vorhandene Sauerstoff zunehmend giftfrei wird: Richtet sich der Gebührenzähler danach, wenn der Telefonhörer aufgelegt wird? Was macht der Kühlschrankbeleuchter hinter der geschlossenen Tür? Da braucht man als Nichtraucher schon mal was zur Beruhigung. An den Griff zur Flasche wäre zu denken. Aber ist das wirklich die Lösung? Ich empfehle: Newsletter lesen. Das lenkt ab.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das ist witzig. Genau das Richtige für die Lütjen Lagen in der Hannoverschen Allgemeinen oder etwas vergleichbares. Toller Schnöker.

Joachim Hübner hat gesagt…

Danke! Freut mich, wenn meine Texte gefallen. Ich habe also schon einmal den Hannoveraner Humor getroffen. Von dem war mir bisher noch gar nichts bekannt. ***grins*** Da hat sich das Bloggen doch gelohnt. Wieder was Neues kennen gelernt.
Schönen Tag und Grüße